Fundberichte einer Hobbyarchäologin
Ein Solitär des 4. Jahrhunderts
Es
ist schon fast dunkel, als ich mich mit
dem Detektor der Landstraße nähere. Etwa 1 Stunde habe
ich das Feld weit entfernt von der Straße abgesucht. Es
ist beunruhigend die ganzen Autos so dicht vorbeisausen zu sehen.
Was machen, wenn ein Auto stoppt?
Wie immer, dieses blöde
Gefühl - die Konzentration geht verloren und die Angst kommt
hoch.
Ich bewege mich parallel zur Straße
in ca. 15 m Abstand und schwinge den Teller meiner Sonde dicht
über den extrem trockenen Boden. Kaum bin ich fünf Meter
den leicht abschüssigen Hang hinuntergegangen, kommt ein
nicht gerade beeindruckendes Signal. Im Pin-Point Modus kann ich
das Objekt sofort lokalisieren und kaum 3 cm unter der Ackerkrume
kommt glänzend eine Münze zutage. Die Erde fällt
sofort ab, als ich mit dem Finger über die Oberfläche
streiche.
GOLD! Römisch?
Ja, aber zu dünn für ein Aureus. Ich halte
offensichtlich einen Solidus in meiner Hand. Leider ist es zu
dunkel, um das Münzbildnis klar erkennen zu können.
Auf der Fahrt nach Hause geht mir immer
wieder die Frage durch den Kopf, wie diese Münze in unsere
Gegend kommen kann? Solidi sind spätrömische Prägungen
des 4. und 5. Jahrhunderts, die in dieser Region Deutschlands
höchst selten bisher gefunden wurden. Hier waren in dieser
Zeit keine Römer ansässig und daher handelt es sich
wohl um ein von Alamannen in den Umlauf gebrachtes Stück.
Zuhause ist schnell festgestellt, daß
es sich um eine Ausgabe des Gratian (um 380 n Chr.) handelt. Es
ist zwar nicht meine erste Goldmünze, aber meine Schönste.
War dies ein Einzelfund, oder war da noch mehr auf diesem scheinbar
unbedeutenden Acker?
Ich werde die Münze dem Museum im Ort zur Verfügung
stellen, in der ich sie gefunden habe. Dort kann sie zusammen
mit meinen anderen alamannischen Funden von einem nahegelegenen
Fundort ausgestellt werden und neue Einblicke in die Besiedelung
dieser Region in frühgeschichtlicher Zeit liefern. Ich möchte
mich an den mit der Metallsonde gefundenen Objekten nicht persönlich
bereichern.
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Ein bronzenes Schicksal
Heute
bin ich schon einige Stunden auf Äckern
zugange, unter denen die Reste eines Kleinkastells liegen. Im
2. und 3. Jahrhundert n. Chr. war es ein Außenposten des
römischen Imperiums. Eine ganze Reihe schöner Kleinfunde
stammt von hier und der Erhaltungszustand der Bronzen ist üblicherweise
sehr gut.
Der größte Acker ist nach dem
Pflügen im Herbst über den Winter brach gelegen und
Regen und Frost haben die Oberfläche bearbeitet, so daß
sie ganz flach ist. Ideale Voraussetzungen, zumal der Untergrund
auch noch etwas feucht ist.
Das Kastell liegt nur mit einer Ecke auf
diesem Feld, aber auch die weitere Umgebung hat immer wieder Funde
produziert. Diesmal habe ich bereits drei Münzen, darunter
zwei Denare, gefunden. Zufrieden bewege ich mich zum Ackerrand,
um meine Suche abzubrechen. Gerade will ich mein Gerät abstellen,
als ich noch ein kurzes Signal registriere. Nicht sehr tief liegt
ein recht großes Stück Bronze mit einer intakt scheinenden
dunkelgrünen Patina. Ich reinige es ganz vorsichtig, kann
aber nicht erkennen, was es ist. Ich stecke es ein und fahre nach
Hause.
Unter fließendem Wasser mit etwas
Seife stellt sich eine Tierszene dar, die wohl als Handgriff eines
Messers oder Schlüssels aus Eisen diente. Aus Lotusblüten
entspringt eine Löwin, die in ihren Fängen den Körper
eines Kalbes hält. Beide Tiere sind ausdrucksvoll gearbeitet
und die Oberfläche der Kleinbronze ist in ausgezeichneter
Erhaltung, was dafür spricht, daß der Pflug sie im
Herbst nach oben geholt hat. In wenigen Jahren hätte der
Luftsauerstoff und der Dünger dieser Bronze in der oberen
Erdschicht den Garaus gemacht und ein undefinierbares Metallstück
zurückgelassen.
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Mein schönster Sesterz
Da lag er vor mit! Ein wunderschöner
Sesterz. Als ob er vom Himmel gefallen wäre. Zwar war ich
schon wieder eine ganze Weile über die Felder gestreift,
doch hatte der Detektor bisher nur modernen Zivilisationsmüll
angezeigt. Und hier lag ein Meter vor mir auf der Ackeroberfläche
eine Münze. Vom Regen abgewaschen und glänzend aufgrund
seiner extrem guten Patina leuchtete ein selten schöner Sesterz.
Dies sind die Momente, die die Schmerzen im Arm vom endlosen schwingen
der Sonde vergessen lassen.
Hier schaute mich Marc Aurel an und
ich fühlte mich fast zweitausend Jahre in der Geschichte
zurückversetzt.
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Ein persönliches Stück Geschichte
In den vielen Jahren mit dem Detektor habe
ich den Äckern meiner Heimat schon eine ganze Zahl ihrer
Geheimnisse entrungen.
Ich fühle mich dadurch in besonderer
Weise dieser Landschaft, ihren Menschen und ihrer Geschichte verbunden.
Von allen Fundstücken mag ich jedoch die am liebsten, die
mich mit einem individuellen Menschen in vor- oder frühgeschichtlicher
Zeit in direkte Beziehung bringen. Münzen und andere Gegenstände
sind durch viele Hände gegangen und sind daher anonyme Zeugen
einer Epoche.
Anders jedoch bei Objekten aus dem persönlichen
Besitz eines Menschen. Ähnlich wie wir heute unsere Schmückstücke
als ein Teil von uns und unserer Identität betrachten, war
dies sicherlich auch vor vielen Jahrhunderten der Fall. Die kleine
Emailfibel aus dem 3. Jahrhundert, die unter dem Teller der Metallsonde
entdeckt wurde, gehörte zweifelslos zum persönlichen
Eigentum und wurde wohl mit Stolz getragen.
Wer war dieser Mensch,
wie lebte er hier in dieser Region und was war sein persönliches
Lebensschicksal? Zwar bleiben alle diese Fragen unbeantwortet,
sie haben aber bisher jeden anderen Menschen ebenso faszinieren
könnnen wie mich, wenn ich ihm die Fibel in die Hände
gelegt habe. Auch wenn ich damit nur wenige Leute in meiner unmittelbaren
Umgebung für Geschichte sensibilisieren kann - auch WENIGE
sind es wert.
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